SWB: Was spricht gegen ein süßes kleines Tier zu Weihnachten?
Carmen Posner: Tiere sind grundsätzlich kein Spielzeug, das wie Puppen zu Weihnachten oder zu sonst einer Zeit verschenkt werden sollte. Die schönen Momente in den ersten Tagen und Wochen werden allzu oft vom Alltag überdeckt und man tut sich und dem Tier damit keinen Gefallen.
Welche Überlegungen sollte man anstellen, bevor man ein Tier zu sich holt?
Ein Haustier zu übernehmen, bedarf einer genauen Überlegung, ob man ihnen das bieten kann, was sie auch brauchen: Zeit, Geduld, Ausdauer. Und natürlich muss in der heutigen Zeit auch der finanzielle Aspekt berücksichtigt werden. Nicht nur kurz vor der Weihnachtszeit werden in unseren Vermittlungsgesprächen besonders diese vier wichtigen Kriterien intensiv besprochen. Daher hatten wir in den vergangenen Jahren keine Probleme mit zurückgegebenen Weihnachtsgeschenken.
Tiere werden heute auch über das Internet verkauft. Muss man das Tier unbedingt vorher in natura gesehen haben?
Ein Tier ist keine Ware. Es kommt auch darauf an, ob man eine Verbindung zu dem Lebewesen spürt, oder das Tier vielleicht doch anders ist als auf Fotos im Internet. Solang es Internet Portale zum Kauf von Tieren gibt, wird es nicht nur den Hobbyzüchtern leicht gemacht, ihre Nachzucht zu verkaufen. Auch viele Haustierbesitzer suchen den bequemen Weg über das Internet, sich ihrer Tiere zu entledigen. Und das zum Leid der Tiere und Frust der neuen Besitzer. Denn was fehlt beim Kauf eines Tieres um die Ecke? Eine ordentliche Übergabe mit Papieren, Gesundheitscheck, die intensive Vorstellung des Tieres und der Garantie, dass bei Schwierigkeiten das Tier wieder zurückgenommen wird.
Wie erklären Sie sich die gestiegene Zahl von Tieren, die im Tierheim abgegeben werden?
Erst Corona, dann die Wirtschaftskrise. Wir glauben schon, dass das auch mit der wirtschaftlichen Krise zusammenhängt. Aber sobald man ein Kätzchen füttert oder ein Tier übernimmt, hat man vom ersten Tag an die Verantwortung für das Wohlergehen des Tieres. Täglich erreichen uns mindestens drei Anrufe mit der Bitte um die Übernahme des Tieres in unser Tierheim.
„Wir können und wollen nicht immer sofort ein Tier aufnehmen“
Wir können nicht immer sofort ein Tier aufnehmen. Und wir wollen das auch nicht! Damit würden wir es den Tierbesitzern sehr leicht machen und sie aus der Pflicht nehmen. Wir als Tierheim sind zuständig für Notsituationen. Und damit haben wir alle Hände voll zu tun.
Bekommen Sie auch manchmal echte Exoten aus dem Tierreich?
Auffällig in den letzten Wochen waren tatsächlich sehr exotische Tiere, die wir aufnehmen mussten. Einen Python konnten wir in fachmännische Hände vermitteln. Nun lebt noch eine Königsnatter bei uns. Da wir für die Unterbringung von Exoten mit ihren besonderen Bedürfnissen nicht optimal ausgestattet sind, ist eine Unterbringung nur für kurze Zeit möglich.
Was macht Ihnen bei Ihrer Arbeit Mut und Hoffnung?
Natürlich gibt es bei uns im Tierheim auch viel Schönes zu erleben. Wir sind immer wieder über die Hilfsbereitschaft und Spendenfreudigkeit vieler Menschen erstaunt, die uns trotz dieser schwierigen Zeiten unterstützen, und freuen uns riesig darüber. Im kommenden Jahr werden wir auch wieder unsere Tore an bestimmten Tagen öffnen. Dann freuen wir uns wieder über Menschen, die Zeit haben, mit unseren Tieren spazieren zu gehen oder uns anderweitig helfen. Für Vorstellungen und Vermittlungsgespräche unserer Tiere nehmen wir uns gern Zeit. Daher bitten wir um Terminabsprache vorab.
Gespräch: Jochen Reitstätter