SWB: Was kann eine kleine Stadt wie Strehla mit gerade einmal 4000 Einwohnern zur Energiewende beitragen?
Jörg Jeromin: Strehla ist eine Flächengemeinde mit relativ viel Platz, was zum Beispiel für Photovoltaikparks gut ist, und wir haben kreative Ideen, die wir gerne einbringen würden. Die Möglichkeiten unserer Kleinstadt gehen weit über den Austausch von herkömmlichen Glühlampen der Straßenbeleuchtung durch LED-Lichter hinaus.
Woran liegt es, dass Verwaltungseinheiten wie der Landkreis Meißen oder die Gemeinden und Städte in Sachsen im deutschlandweiten Vergleich nur Mittelmaß sind?
Die meisten Landkreise, die besser dastehen, sind im Norden Deutschlands und haben ganz andere topografische und klimatische Bedingungen wie Sachsen oder die südlichen Bundesländer. Der Nachholbedarf ist bei uns daher größer. Nun gilt es, aufzuholen, und das Wie wird gerade teils kontrovers diskutiert.
Müssten Sie nicht zuerst einmal umsetzen, was Ihre Stadt zur Energiewende selbst leisten kann?
Das tun wir. Natürlich haben aber auch wir Reserven. Doch unsere Möglichkeiten sind durch vielerlei gesetzliche Rahmenbedingungen, zum Beispiel durch das Bau- und Bauordnungsrecht, eingeschränkt. Beim Thema Windkraft kommt noch der regionale Planungsverband hinzu, der hier maßgeblich für die Ausweisung der Flächen im Regionalplan zuständig ist. Dazu kommt, dass die Kommunen seit Jahren finanziell so schlecht aufgestellt sind, dass zumindest für die finanzschwachen wenig bis gar keine Investitionen in Projekte zur Energiewende möglich sind, da das Geld kaum für die Pflichtaufgaben in der Kommune reicht. Hier muss vor allem der Freistaat Sachsen endlich für eine bessere Finanzausstattung seiner Gemeinden und Städte sorgen – mindestens jedoch die 35 Prozent aus der finanziellen Gesamtmasse des Freistaates ausreichen, die per Gesetz den Kommunen zustehen, jedoch nicht vollständig transferiert werden.
Was müsste sich noch ändern, damit es in Sachsen zu einer schnelleren Energietransformation kommt?
Zuallererst brauchen wir, wie in ganz Deutschland auch, eine Entschlackung von unnötig vielen Gesetzen und Verordnungen, zum Beispiel bei der Baugesetzgebung, dem Bauordnungsrecht oder der Gemeindeordnung. Das ist in ganz Deutschland einhellige Meinung, aber nichts passiert. Dazu zeigt sich immer wieder, dass der Denkmalschutz viele technisch mögliche und sofort umsetzbare Maßnahmen wie zum Beispiel Photovoltaik auf Dächern zusehends hemmt. Hier gilt es, einen vernünftigen und zeitgemäßen Ausgleich zwischen beiden berechtigten Erfordernissen zu finden, also der Bewahrung alter Bausubstanz in der ursprünglichen Form und Maßnahmen zum Energiewandel.
Könnten mit mehr rechtlichen Möglichkeiten und einer besseren finanziellen Ausstattung dann auch mehr Projekte angegangen werden?
Es wäre ein guter Anfang. Aber die Kommunen brauchen auch mehr Freiheiten, selbst Entscheidungen zu treffen. In unserem Staat gilt das Subsidiaritätsprinzip, das bedeutet, was auf unterer Ebene sinnvoll umgesetzt werden kann, sollte auch möglich gemacht werden. So sind zum Beispiel die kreisfreien Städte, wie Dresden und Leipzig, aufgrund ihrer zugewiesenen Funktion als Oberzentrum natürlich strukturell und organisatorisch anders aufgestellt. Sie können in der Regel viele Entscheidungen im geltenden Rechtsrahmen innerhalb der jeweiligen Gebietskörperschaft selber entscheiden. Kleinere, kreisangehörige Gemeinden sind auf die kommunale Aufgabenteilung angewiesen. Entscheidungen fallen daher oft im Benehmen zwischen Landkreis und Gemeinde. Manchmal fehlt der Blick auf die örtlichen Gegebenheiten. Städte und Gemeinden ohne zentralörtliche Funktion wird dann die Ausweisung von Gewerbeflächen im Flächennutzungsplan mit dem Hinweis auf die fehlende zentralörtliche Funktion seitens der Landesdirektion verweigert. Dies erleichtert nicht unbedingt die Energiewende vor Ort. Denn oft sind die Flächen der Gewerbegebiete oder entlang der Fernstraßen Motor und Katalysator dieser Entwicklung.
Mit welchen Projekten würden Sie die Energietransformation in Kommunen voranbringen wollen?
Es gibt viele Beispiele. Wir haben in Strehla zum Beispiel zwei Biogasanlagen, von denen eine Wärme in ein lokal errichtetes Fernwärmenetz abgibt und Häuser beheizt. Solche Anlagen brauchen wir mehr, und die Begrenzung bei der Biogaserzeugung und der Herkunft der Biomasse muss fallen, damit hier – mindestens für die Übergangszeit der Energiewende – keine Kapazitäten verschenkt werden. Weitere Möglichkeiten sehe ich zum Beispiel bei der Errichtung von Photovoltaikanlagen. Auch dem Thema Windenergie muss man sich stellen, wo sich die Rahmenbedingungen und Genehmigungsvorgaben enorm ändern.
Entscheidend ist dabei das Mitspracherecht. Hier sind die Möglichkeiten beschnitten. Das führt oft zu großen Kontroversen und teilweise zur Spaltung der Einwohner vor Ort. Lediglich beim Bau von Photovoltaikparks kann die Kommune mittels eines Bebauungsplanverfahrens die Entwicklung maßgeblich beeinflussen. Zur Ehrlichkeit gehört allerdings auch, dass deren finanzieller Ertrag deutlich geringer ist als zum Beispiel bei Windkraftanlagen. Für rechtlich mögliche Projekte wie beispielsweise Photovoltaik auf Dächern wünsche ich mir deutlich kürzere Genehmigungszeiten.
Gespräch: Jochen Reitstätter